Chaos Computer Club warnt vor Schülerdatenbank.

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Mit den Stimmen von SPD und Die Linke hat das Berliner Abgeordnetenhaus heute die Einführung der vollständigen Datenerfassung aller Berliner Schüler und die Zuweisung einer eindeutigen Schülernummer beschlossen. Detaillierte personenbezogene Informationen über alle Kinder im schulpflichtigen Alter sollen erhoben, zentral verarbeitet und abfragbar gemacht werden – natürlich mit umfangreichem Zugriff für Polizei und andere „Sicherheits“-Behörden. Die Datenskandale der letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sensible Informationen aus der Schülerdatei verlorengehen und von Kriminellen missbraucht werden. Der Chaos Computer Club (CCC) ruft daher alle Eltern zum Boykott der Erfassung ihrer Kinder auf, um sie vor Datenverbrechern zu schützen.

Nachdem die bundesweite Schülerdatei endgültig vom Tisch ist, schickt sich Berlin an, eine eigene zentrale Kinderdatei anzulegen. Die zuletzt rapide steigende Tendenz an Datenskandalen hat jedoch deutlich gemacht, dass weder Firmen noch Behörden mit derart sensiblen Daten über Schüler und deren Eltern sicher umgehen können. Da diese personalisierte Datenerhebung weder sinnvoll noch objektiv notwendig ist, bleibt verantwortungsvollen Eltern nur der Datenboykott, um ihre Kinder vor ausartender überwachungsstaatlicher Datensammelwut zu schützen.

Dirk Engling, Sprecher des CCC, kommentierte: „Offenbar müssen erst persönliche Daten von Kindern in die Hände von Straftätern oder Privatschnüfflern fallen, bevor der Berliner Senat den Ernst der Lage begreift und die unverantwortliche Datenraffgier zügelt.“ Der CCC ruft die Berliner Eltern daher zur Gegenwehr durch Datenboykott auf. Sie sollten den Direktoren bzw. Schulträgern der Schulen ihrer Kinder umgehend die Weitergabe der Daten untersagen. Dazu genügt ein formloses Schreiben. [1]

Das Erfassen von Sozialdaten Berliner Familien ist ein klassischer Fall sinnloser Speicherwut, der gegen der allgemeinen Grundsatz der Datenvermeidung verstößt. Die Krönung des Skandals ist jedoch der Missbrauch der Schulbehörde als Hilfspolizei.

„Gegen den Lehrermangel und die schlechten Lernbedingungen in Berlin helfen keine Datensammel-Großprojekte. Offenbar gibt der rot-rote Senat lieber über zwanzig Millionen Euro für die Vorbereitung des nächsten Datenskandals aus, anstatt marode Schulgebäude zu sanieren, gute Lehrkräfte in Berlin zu halten bzw. neue anzuwerben und Lehrmittel zu beschaffen“, fasste CCC-Sprecher Engling die Situation zusammen.

Das Projekt Schülerdatei sieht ein detailliertes Profiling des einzelnen Kindes vor, welches angeblich notwendig sein soll, um das Berliner Schulsystem zu optimieren und polizeiliche Aufgaben zu erfüllen. Die SPD-Schulsenatorin konnte aber in keiner Weise darlegen, wieso diese Aufgaben nicht auch auf der Basis von anonymisierten Daten erfolgen kann.

[1] Beispielanschreiben

    Sehr geehrte …,

    das Abgeordnetenhaus hat die Einführung einer zentralen Schülerdatei für Berlin beschlossen.
    Die Datei ist sehr umstritten und in ihrer derzeitigen Ausführung nicht für die angegebenen
    Zwecke des Gesetzes notwendig. Diese Form der Datenerhebung steht im Widerspruch zum
    gesetzlichen Gebot der Datensparsamkeit. Angesichts der Datenskandale der letzten Monate ist
    es nur eine Frage der Zeit, bis Datenbestände aus der Schülerdatei verlorengehen und
    missbraucht werden.

    Ich untersage daher hiermit die Speicherung, Weitergabe und Verarbeitung der Daten meines
    Kindes für die Zwecke der Berliner Schülerdatei. Den Eingang meines Schreibens bitte ich zu
    bestätigen.

    Mit freundlichen Grüssen