Endlich hat das Warten ein Ende, denn der langersehnte 124-seitige Koalitionsvertrag ist heute von der Bundesregierung veröffentlicht worden. Darin sollen die Kernpunkte der künftigen Regierung geschildert sein. Doch auch neben den netzpolitischen Dingen, die nicht ganz so erfreulich sind, wie sich das die Internetgemeinde gewünscht hat, sind auch weitere Punkte unklar oder schlecht geplant.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
Vorratsdatenspeicherung
Zu den Vorratsdatenspeicherungen will die Regierung warten, bis ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht erfolgte. Nur ind dringlichen Fällen, sozusagen wenn es „um Leben und Tod“ geht, soll richterlich Zugriff auf die Daten beantragt werden können.
Wir werden den Zugriff der Bundesbehörden auf die gespeicherten Vorratsdaten der Telekommunikationsunternehmen bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts […] aussetzen.
Auch die Fluggastdaten sollen weiter geschützt werden und nicht wie bisher für die USA frei zugänglich sein.
Pressefreiheit
Die Pressefreiheit soll gestärkt werden. Journalisten sollen sich künftig nicht mehr wegen Beihilfe zur Verletzung eines Dienstgeheimnisses strafbar machen, wenn sie Material veröffentlichen, das ihnen zugespielt wurde. Außerdem können Materialien von Journalisten nur noch beschlagnahmt werden, wenn ein dringender Tatverdacht gegen den Journalisten besteht.
Erscheinungspflicht bei der Polizei
Die neue Koalition möchte eine Regelung schaffen, die Zeugen verpflichtet, bei der Polizei im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens zu erscheinen. Bisher war man nur verpflichtet, bei Staatsanwaltschaft und vor Gericht zu erscheinen.
Transsexuellenrecht
Das Recht ist nicht mehr zeitgemäß und soll vollständig reformiert werden.
Schutz geistigen Eigentums
Die Bundesrepublik möchte das Urheberrecht verschärfen.
Wir wollen deshalb den rechtlichen Rahmen für einen wirksamen Schutz des geistigen Eigentums durch Patente, Marken und Muster weiter stärken und den Zugang zu Schutzrechten für den Mittelstand erleichtern. Wir werden uns auch auf europäischer und internationaler Ebene für wirksame Maßnahmen gegen die weltweite Marken- und Produktpiraterie einsetzen.
Melderecht
Ab sofort muss der Vermieter wieder einverstanden sein, wenn man sich einwohnermeldeamtlich irgendwo meldet. Ein Bundesmeldegesetz soll eingeführt werden.
Bürgerbeteiligung
Nicht ganz, wie das schweizer Recht, aber immerhin eine Stärkung:
Wir wollen die Mitwirkungsmöglichkeiten der Bevölkerung an der demokratischen Willensbildung stärken. Dazu werden wir das Petitionswesen weiterentwickeln und verbessern. Bei Massenpetitionen werden wir über das im Petitionsausschuss bestehende Anhörungsrecht hinaus eine Behandlung des Anliegens im Plenum des Deutschen Bundestags unter Beteiligung der zuständigen Ausschüsse vorsehen.
Gerichtsvollzieher
Wer diesen Abschnitt verfasst hat, war nicht ganz bei Sinnen. Die Aufgaben der Gerichtsvollzieher sollen „auf Beliehene“ übertragen werden. Erinnert mich ein bisschen, wie diese privaten Kopfgeldjäger der USA. Warum ist man da nicht gleich auf die Idee gekommen, dass sich der Gläubiger sein Geld durch Waffengewalt zurückholen darf?
Energiepolitik
- Kohlebau: „Wir wollen auch weiterhin den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken ermöglichen.“
- Atomenergie: „Die Kernenergie ist eine Brückentechnologie, bis sie durch erneuerbare Energien verlässlich ersetzt werden kann. […] sind wir bereit, die Laufzeiten deutscher Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen Sicherheitsstandards zu verlängern.“
- Nukleare Lagerung: „Die Endlager Asse II und Morsleben sind in einem zügigen und transparenten Verfahren zu schließen.“, Gorleben soll weiter geprüft werden.
- Umwelt: Wasserschutz: „Wird verbessert.“, Lärmschutz: „Wird verbessert.“, Meeres- und Fischschutz: „Wird verbessert.“, Immissionsschutz: „Wird verbessert.“, Kreislaufwirtschaft: „Wird weiterentwickelt.“
Verbraucherschutz / Ernährung
Eine Ampelanzeige auf Lebensmitteln ist ausgeschlossen. Es soll den „Verbraucher in die Irre“ führen. Ganz schlechte Idee – ich finde, so etwas wäre dringen notwendig gewesen.
BKA-Gesetz
Tja, das tut weh. Die Regierung hat sich entschieden, vorerst auf Sperren im Internet zu verzichten. Es soll gelöscht werden und geprüft, wie erfolgreich man mit dem Löschen von Kinderpornografie ist. Das Schlimme: So lang, wie der Bürokratieweg in der BRD ist, wird das natürlich nicht geschafft, mit dem Löschen.
Daher werden wir auf Grundlage der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung das BKA-Gesetz daraufhin überprüfen, ob und inwieweit der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung zu verbessern ist.
Da müssen wir nun durch. Die Suppe können wie auslöffeln, müssen aber auch mal in den sauren Apfel beissen.
Wir wollten es so!
Man sieht weiter, 2013.
Foto: Markus Hein / Pixelio.de